Wenn im Winter draußen die Temperaturen sinken und sich Straßen und Gehwege in Rutschbahnen verwandeln, stehen viele Arbeitnehmer vor einer schwierigen Entscheidung: Soll ich zur Arbeit fahren und mich den Gefahren auf dem Arbeitsweg aussetzen oder bleibe ich lieber zu Hause?
Insbesondere in Zeiten wachsender Homeoffice-Möglichkeiten stellt sich verstärkt die Frage, wie Arbeitnehmer ihre Rechte bei widrigen Witterungsverhältnissen – insbesondere bei Glatteis – schützen können. In diesem Beitrag sorgen wir für Klarheit darüber, was erlaubt ist, welche Pflichten bestehen und wie man sich sinnvoll auf die kalte Jahreszeit vorbereitet, ohne in Konflikt mit dem Arbeitgeber zu geraten.
Arbeitsrechtliche Grundlagen bei witterungsbedingten Problemen
Eine zentrale Regelung im deutschen Arbeitsrecht lautet: Jeder Arbeitnehmer trägt das sogenannte Wege- oder Anfahrtsrisiko selbst. Das heißt, wer morgens nicht pünktlich oder gar nicht zur Arbeit kommt, weil Schnee oder Eisfahrbahnen den Weg verhindern, kann dafür grundsätzlich keine Lohnfortzahlung verlangen.
Kommt es also durch Glatteis oder Schnee zum Arbeitsausfall, liegt das Risiko beim Arbeitnehmer – auch wenn die Wettersituation objektiv gefährlich ist. Nur in seltenen Ausnahmen, etwa bei absolut unvorhersehbaren Wetterereignissen (wie Eisregen überregional mit Katastrophenwarnung), wird ein Zugeständnis möglich.
Welche Rolle spielt das Homeoffice?
In den letzten Jahren hat sich das Homeoffice zu einer immer häufigeren Arbeitsform entwickelt – nicht zuletzt durch gesellschaftliche Veränderungen und digitale Arbeitsprozesse. Daraus ergibt sich eine interessante rechtliche Fragestellung: Muss ich bei Glatteis überhaupt noch ins Büro, wenn ich alternativ zu Hause arbeiten kann?
Für Arbeitnehmer bedeutet das: Wer in seinem Arbeitsvertrag oder einer Zusatzvereinbarung ein Recht auf Homeoffice hat, kann sich im Winter bei gefährlichen Straßenverhältnissen auf diese Option berufen. Allerdings gilt dies nur, wenn Homeoffice eindeutig vereinbart oder regelmäßig gelebte Praxis ist. Eine bloße Hoffnung oder Gewohnheit reicht in der Regel nicht aus.
Was tun, wenn kein Recht auf Homeoffice besteht?
Arbeitnehmer ohne eine Homeoffice-Regelung befinden sich in einer schwierigen Lage. Sie sind grundsätzlich verpflichtet, zur Arbeitsstätte zu erscheinen – auch bei Glatteis. Dabei wird vom Arbeitnehmer erwartet, dass er sich ausreichend über die Wetterlage informiert und gegebenenfalls früher aufbricht oder ein anderes Verkehrsmittel nutzt. Wer sich schlicht verspätet oder gar zu Hause bleibt, muss mit Konsequenzen rechnen.
Diese reichen von Lohnkürzungen über Abmahnungen bis hin zu weiteren arbeitsrechtlichen Schritten, falls wiederholt die Arbeitsleistung ohne Absprache verweigert wird.
Um sich dennoch zu schützen, kann folgende Vorgehensweise hilfreich sein:
1. Kommunikation mit dem Arbeitgeber: Wer rechtzeitig Glatteis oder Gefahr erkennt, sollte frühestens am Vorabend, spätestens morgens den Arbeitgeber informieren. Je früher, desto besser.
2. Homeoffice anfragen: Selbst wenn es keine feste Vereinbarung gibt, kann in Ausnahmesituationen eine individuelle Absprache möglich sein. Viele Arbeitgeber zeigen sich bei triftigen Gründen flexibel.
3. Urlaub oder Überstunden einsetzen: Wenn alle Stricke reißen, empfiehlt es sich, für den Tag Urlaub zu nehmen oder Überstunden abzubauen. So bleibt der Lohnanspruch bestehen.
Verhältnismäßigkeit prüfen: Ist der Weg wirklich unzumutbar?
Nicht jede glatte Straße rechtfertigt automatisch das Fernbleiben vom Arbeitsplatz. Arbeitnehmer haben eine sogenannte Pflicht zur Zumutbarkeit. Das bedeutet, sie dürfen ihren Arbeitsweg nur dann abbrechen oder vermeiden, wenn dieser wirklich gefährlich oder unzumutbar ist.
Bevor man ohne Absprache beschließt, zu Hause zu bleiben, sollte geprüft werden:
1. Gibt es Alternativrouten, die sicherer oder weniger vereist sind?
2. Ist öffentlicher Nahverkehr eine sichere Alternative?
3. Ist der Weg mit rutschfestem Schuhwerk oder anderen Hilfsmitteln bewältigbar?
Nur wenn die objektiven Umstände wirklich gravierend sind und keine sinnvolle Alternativlösung besteht, könnte man eine Abwesenheit aufgrund unzumutbarer Bedingungen rechtfertigen. In solchen Fällen hilft eine gute Kommunikation mit Vorgesetzten oder der Personalabteilung, Missverständnisse zu vermeiden.
Pflichten im Homeoffice: Achtung vor Eigenverantwortung
Wer bei Glatteis zu Hause arbeiten kann, ist damit vor dem Weg zur Arbeit geschützt. Doch auch das Homeoffice bringt Pflichten mit sich. Einige wichtige Punkte sollten beachtet werden:
1. Arbeitszeiten dokumentieren: Im Homeoffice ist es besonders wichtig, die Arbeitszeit genau festzuhalten – idealerweise bereits im Voraus durch klare Absprachen.
2. Erreichbarkeit sicherstellen: E-Mail und Telefon sollten auch zu Hause wie im normalen Arbeitsalltag erreichbar sein.
3. Verletzungsrisiken minimieren: Auch im Homeoffice kann es zu Arbeitsunfällen kommen. Wer beispielsweise auf dem Weg zur Kaffeemaschine ausrutscht, befindet sich nicht immer im versicherten Bereich.
Hierzu gab es zuletzt auch mehrere Urteile: Nicht alle Bewegungen im Homeoffice erfüllen automatisch den Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung. Daher gilt auch da: Vorsicht und ein gewissenhafter Umgang mit den eigenen Arbeitsbedingungen.
Recht auf Homeoffice bei extremer Witterung?
Aus arbeitsrechtlicher Sicht existiert kein generelles Recht, bei schlechten Wetterverhältnissen im Homeoffice zu arbeiten – auch nicht bei extremem Glatteis. Eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers, Homeoffice bei einer Wetterwarnung gewähren zu müssen, besteht (noch) nicht.
Allerdings lässt sich argumentieren, dass Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht haben. Sie können dazu verpflichtet sein, die körperliche Unversehrtheit der Mitarbeiter zu schützen. Eine extreme Glätte- oder Unwetterwarnung könnte somit Grund für eine wohlwollende Prüfung auf Homeoffice-Anträge sein.
In der Praxis empfehlen Experten, im Vorfeld arbeitsvertragliche Regelungen zu Homeoffice, insbesondere für Notfälle, schriftlich festzuhalten. So lassen sich im Winter unnötige Diskussionen vermeiden.
Tipps für Arbeitnehmer – Vorbereitung und Vorsorge
Ein guter Umgang mit winterlichen Bedingungen beginnt nicht erst, wenn die Straße vereist ist. Arbeitnehmer können bereits im Vorfeld Vorkehrungen treffen:
1. Homeoffice im Arbeitsvertrag zusätzlich vereinbaren oder beantragen
2. Arbeitszeiten in flexiblen Modellen anpassen (z. B. Gleitzeit), um kritische Tageszeiten zu vermeiden
3. Wetter-Apps nutzen, um rechtzeitig vorgewarnt zu werden
4. Wintertaugliche Ausrüstung wie Schneeketten, rutschfeste Schuhe oder Spikes beschaffen
5. Öffentliche Verkehrswege im Vorhinein prüfen, ob sie bei Schneefall weiter betrieben werden
Je besser man vorbereitet ist, desto niedriger ist das Risiko, durch Glatteis in arbeitsrechtliche Schwierigkeiten zu geraten.
Fazit: Verantwortungsbewusst und rechtssicher handeln
Der Winter bringt seine Herausforderungen – besonders dann, wenn der Arbeitsweg zur echten Rutschpartie wird. Arbeitnehmer sind gut beraten, ihre Rechte und Pflichten genau zu kennen und das Gespräch mit dem Arbeitgeber aktiv zu suchen.
Homeoffice kann eine gute Lösung darstellen, ist aber nur dann zulässig, wenn es vertraglich geregelt oder individuell vereinbart wurde. Eigenmächtig zu Hause bleiben ist riskant und kann arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Wer bei Glatteisgefahr rechtzeitig kommuniziert, Alternativen prüft und im Notfall bereit ist, Urlaub oder Überstunden zu nehmen, schützt sich nicht nur vor Unfällen, sondern auch vor Ärger mit dem Chef.
In diesem Sinne: Bleiben Sie vorsichtig, bleiben Sie vorbereitet – und nutzen Sie Ihre Möglichkeiten verantwortungsvoll. Denn auch im tiefsten Winter lässt sich mit Augenmaß und Weitblick sicher und rechtlich korrekt durch den Arbeitsalltag navigieren.